Zieht man die bauliche Substanz in Betracht, liegt Deutschlands ältester Sektkeller in Trier. In römischer Zeit als Lagerhaus errichtet, stehen heute die überformten Gebäude der Vereinigten Hospitien eindrucksvoll für die Prozesshaftigkeit von Architektur  Im Wandel von 2000 Jahren

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 |  | Der Barockbau mit Säulen der zerstörten Klosterkirche | |
Um das Jahr 400 nach Christus endete sukzessiv die römische Herrschaft nördlich der Alpen. Rasch schmolzen damit auch deren steinerne Hinterlassenschaften. Kriegszerstörungen, Naturereignisse, erneute Verwertung der Baummaterialien ließen nur wenige Reste über dem Bodenniveau übrig. Vor allem in Trier finden sich Ausnahmen von dieser Richtschnur. Von 293 bis 390 nach Christus residierten hier römische Kaiser. Etliche imperiale Bauten wie Thermen, Paläste, Kirchen oder Stadttore boten sich für neue Nutzungen an: Die Porta Nigra wurde zum Kirchenraum, die monumentale Bischofskirche behielt ihre Funktion bis heute bei. Ein umfassender Ausstellungszyklus hat im abgelaufenen Jahr den Untergang des Römerreiches und die Folgen aufgearbeitet. Als im 18. Jahrhundert das Interesse an der Antike erwachte, wurden römische Überreste wieder freigelegt und für neue Zwecke reaktiviert. Dabei ging es nicht nur um spektakuläre Großbauten. Auch die Funktions- oder Wirtschaftsarchitektur rückte in den Fokus und bot sich neuen Nutzungen an.
Steigt man in den Sekt- und Weinkeller der Vereinigten Hospitien hinab, wird der stete Wandel von Bauten schlagartig offenbar. Ein Modell stellt im Foyer die hier um 330 nach Christus errichtete Doppelspeicheranlage, die sogenannte „Horrea“, vor. Direkt am Moselufer zwischen Stadtmauer und Wohnbebauung platziert, dienten die rund 80 Meter langen und bis zu 20 Meter breiten Magazinhallen als Getreide- und Vorratsspeicher für den Hof und die Stadtbewohner. Zwei parallele Flügel umfassten einen Innenhof und wiesen an den Giebelseiten Rampen und überdeckte Pfeilerlauben auf. Das Innere des gut zu überwachenden Komplexes bot je Flügel rund 5000 Quadratmeter Lagerfläche auf zwei durch eine Holzkonstruktion gebildeten Etagen. Die langen Außenwände wurden von Blendarkaden mit je einem Lüftungsfenster im oberen Bogenfeld strukturiert.
Von dem sorgsam in Bruchstein und eingelassenen Ziegellagen ausgeführten Mauerwerk hat sich am umfangreichsten die moselseitige Außenwand des Westflügels erhalten. Heute Bestandteil eines barock überformten Traktes, tritt sie im großen Römersaal als innere Trennwand zum Umgang in ihrer unberührt derben Ästhetik offen zu Tage. Darunter im Sektkeller mit erhaltenen römischen Ziegelböden bilden die grob belassenen inneren Erdgeschossmauern der Horrea einen sinnigen Kontrast zur in den Formen der Jetztzeit neu gestalteten Vinothek. Ihr schließt sich der im elften Jahrhundert für das Kloster St. Irminen nördlich angebaute merowingische Gewölbekeller in der Form einer kreuzgratgewölbten Halle an.
Denn nach dem Abzug der Römer gelangten die Hallenruinen in fränkischen Besitz. König Dagobert I. schenkte sie dem Trierer Erzbischof Modoald. Im Jahr 645 wurde in den Überresten ein Kloster eingerichtet. Benannt nach der mutmaßlichen zweiten Äbtissin Irmina galt hier spätestens seit 953 die Benediktinerregel. Später wurde das Kloster in ein Augustinerchorfrauenstift umgewandelt. Nach der Säkularisation im Jahr 1802 standen die Baulichkeiten zunächst leer und wurden 1804 der Stadt übereignet. Unter Zusammenfassung mehrerer einst selbständiger katholischer Kranken- und Pflegeeinrichtungen etablierte die Stadt im selben Jahr in den ehemaligen Klostergebäuden die „Vereinigten Hospitien“ als Stiftung öffentlichen Rechts, um auf diese Weise Alten-, Kranken- und Pflegeeinrichtungen zu bündeln. Auch die Aufgaben des einstigen St. Jakob-Hospitals gingen in sie auf. Die Figur des heiligen Jakobus mit Wanderstab und Jakobsmuschel schmückt viele Gebäude der Stiftung und auch das Etikett der Abfüllungen des hauseigenen Weinguts.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Gebäudegruppe großflächig zerstört und anschließend partiell abgetragen. An die alte Klosterkirche St. Irminen erinnern heute aufgestellte Säulenreste. Auch der barocke Südflügel verschwand; der um 1740 parallel zur Mosel über der westlichen Horrea errichtete Flügel wurde restauriert. In dem repräsentativen Trakt mit prachtvollem Mittelrisalit und hohem Mansarddach sind heute anspruchsvolle Seniorenappartements untergebracht. Die im Jahr 1771 nach Plänen von Jean Antoine als einschiffiger Saalbau mit vierjochigem Langhaus im Stil des Rokoko errichtete Hauptkirche des Klosters wurde rekonstruiert, ebenso der romanische Kirchturm aus dem elften Jahrhundert.
Die Vereinigten Hospitien sind bis heute eine Wohltätigkeitsstiftung mit sozialem Auftrag. Zu den Wirtschaftsbetrieben gehört ein eigenes Weingut mit exponierten Schiefer-Steillagen an Saar und Mosel, dessen Grundlage Weinberge aus Liegenschaften alter Trierer Klöster bilden. Die Weinbaugeschichte lässt sich bis zu den Römern zurückverfolgen. Sie führten die robuste Elbling-Traube ein. Seit 1464 wird hier Riesling-Anbau betrieben. Ökologisch bewirtschaftet, von Hand gelesen, auf warmen Schieferböden und in römischen Kellern zur Vollendung gereift, lädt das in eine ruhige Parklandschaft eingebettete Ensemble sehenswerter Bauten zum friedvollen Genuss eines der geschätzten Sekte ein.
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